Gedichte 1909-1912
Melusine
Wovon bin ich nur aufgewacht?
Mein Kind, es fielen Blüten zur Nacht!
Wer flüstert so traurig, als wie im Traum?
Mein Kind, der Frühling geht durch den Raum.
O sieh! Sein Gesicht wie tränenbleich!
Mein Kind, er blühte wohl allzu reich.
Wie brennt mein Mund! Warum weine ich ?
Mein Kind, ich küsse mein Leben in dich!
Wer faßt mich so hart, wer beugt sich zu mir?
Mein Kind, ich falte die Hände dir.
Wo geh’ ich nur hin? Ich träumte so schön!
Mein Kind, wir wollen in Himmel gehn.
Wie gut, wie gut! Wer lächelt so leis’ <?>
Da wurden ihre Augen weiß —
Da löschten alle Lichter aus
Und tiefe Nacht durchwehte das Haus.
Die Nacht der Armen
Es dämmert!
Und dumpf o hämmert
Die Nacht an unsre Tür!
Es flüstert ein Kind: Wie zittert ihr
So sehr!
Doch tiefer neigen
Wir Armen uns und schweigen
Und schweigen, als wären wir nicht mehr!
Nachtlied
Triff mich Schmerz! Die Wunde glüht.
Dieser Qual hab’ ich nicht acht!
Sieh aus meinen Wunden blüht
Rätselvoll ein Stern zur Nacht!
Triff mich Tod! Ich bin vollbracht.
De profundis
Die Totenkammer ist voll Nacht
Mein Vater schläft, ich halte Wacht.
Des Toten hartes Angesicht
Flimmert weiß im Kerzenlicht.
Die Blumen duften, die Fliege summt
Mein Herz lauscht fühllos und verstummt.
Der Wind pocht leise an die Tür.
Die öffnet sich mit hellem Geklirr.
Und draußen rauscht ein Ährenfeld,
Die Sonne knistert am Himmelszelt.
Von Früchten voll hängt Busch und Baum
Und Vögel und Falter schwirren im Raum.
Im Acker mähen die Bauersleut’
Im tiefen Schweigen der Mittagszeit.
Ich schlag’ ein Kreuz auf den Toten hin
Und lautlos verliert sich mein Schritt im Grün.
Am Friedhof
Morsch Gestein ragt schwül erwärmt.
Gelbe Weihrajachdünste schweben.
Bienen summen wirr verschwärmt
Und die Blumengitter beben.
Langsam regt sich dort ein Zug
An den sonnenstillen Mauern,
Schwindet flimmernd, wie ein Trug —
Totenlieder tief verschauern.
Lange lauscht es nach im Grün,
Läßt die Büsche heller scheinen;
Braune Mückenschwärme sprühn
Über alten Totensteinen.
Sonniger Nachmittag
Ein Ast wiegt mich im tiefen Blau.
Im tollen, herbstlichen Blattgewirr
Flimmern Falter, berauscht und irr.
Axtschläge hallen in der Au.
In roten Beeren verbeißt sich mein Mund
Und Licht und Schatten schwanken im Laub.
Stundenlang fällt goldener Staub
Knisternd in den braunen Grund.
Die Drossel lacht aus den Büschen her
Und toll und laut schlägt über mir
Zusammen das herbstliche Blattgewirr —
Früchte lösen sich leuchtend und schwer.
Zeitalter
Ein Tiergesicht im braunen Grün
Glüht scheu mich an, die Büsche glimmen.
Sehr ferne singt mit Kinderstimmen
Ein alter Brunnen. Ich lausche hin.
Die wilden Dohlen spotten mein
Und rings die Birken sich verschleiern.
Ich stehe still vor Unkrautfeuern
Und leise malen sich Bilder darein,
Auf Goldgrund uralte Liebesmär.
Ihr Schweigen breiten die Wolken am Hügel.
Aus geisterhaftem Weiherspiegel
Winken Früchte, leuchtend und schwer.
Der Schatten
Da ich heut morgen im Garten saß —
Die Bäume standen in blauer Blüh,
Voll Drosselruf und Tirili —
Sah ich meinen Schatten im Gras,
Gewaltig verzerrt, ein wunderlich Tier,
Das lag wie ein böser Traum vor mir.
Und ich ging und zitterte sehr,
Indes ein Brunnen ins Blaue sang
Und purpurn eine Knospe sprang
Und das Tier ging nebenher.
Wunderlicher Frühling
Wohl um die tiefe Mittagszeit,
Lag ich auf einem alten Stein,
Vor mir in wunderlichem Kleid
Standen drei Engel im Sonnenschein.
O ahnungsvolles Frühlingsjahr!
Im Acker schmolz der letzte Schnee,
Und zitternd hing der Birke Haar
In den kalten, klaren See.
Vom Himmel wehte ein blaues Band,
Und schön floß eine Wolke herein,
Der lag ich träumend zugewandt —
Die Engel knieten im Sonnenschein.
Laut sang ein Vogel Wundermär,
Und könnt mit einmal ihn verstehn:
Eh’ noch gestillt dein erst’ Begehr,
Mußt sterben gehn, mußt sterben gehn!
Der Traum eines Nachmittags
Still! der Alte kommt gegangen;
Und sein Schritt verdämmert wieder.
Schatten schweben auf und nieder —
Birken, die ins Fenster hangen.
Und am alten Rebenhügel
Tollt aufs neu der faunische Reigen,
Und die schlanken Nymphen steigen
Leise aus dem Brunnenspiegel.
Hör! da droht ein fern Gewittern.
Weihrauch dampft aus dunklen Kressen,
Falter feiern stille Messen
Vor verfall’nen Blumengittern.
Sommersonate
Täubend duften faule Früchte.
Busch’ und Bäume sonnig klingen,
Schwärme schwarzer Fliegen singen
Auf der braunen Waldeslichte.
In des Tümpels tiefer Bläue
Flammt der Schein von Unkrautbränden.
Hör’ aus gelben Blumenwänden
Schwirren jähe Liebesschreie.
Lang sich Schmetterlinge jagen;
Trunken tanzt auf schwülen Matten
Auf dem Thymian mein Schatten.
Hell verzückte Amseln schlagen.
Wolken starre Brüste zeigen,
Und bekränzt von Laub und Beeren
Siehst du unter dunklen Föhren
Grinsend ein Gerippe geigen.
Leuchtende Stunde
Fern am Hügel Flötenklang.
Faune lauern an den Sümpfen,
Wo versteckt in Rohr und Tang
Träge ruhn die schlanken Nymphen.
In des Weihers Spiegelglas
Goldne Falter sich verzücken,
Leise regt im samtnen Gras
Sich ein Tier mit zweien Rücken.
Schluchzend haucht im Birkenhain
Orpheus zartes Liebeslallen,
Sanft und scherzend stimmen ein
In sein Lied die Nachtigallen.
Phöbus eine Flamme glüht
Noch an Aphroditens Munde,
Und von Ambraduft durchsprüht —
Rötet dunkel sich die Stunde.
Kindheitserinnerung
Die Sonne scheint einsam am Nachmittag,
Und leise entschwebt der Ton der Immen.
Im Garten flüstern der Schwestern Stimmen —
Da lauscht der Knabe im Holzverschlag,
Noch fiebernd über Buch und Bild.
Müd welken die Linden im Blau versunken.
Ein Reiher hängt reglos im Äther ertrunken,
Am Zaun phantastisches Schattenwerk spielt.
Die Schwestern gehen still ins Haus,
Und ihre weißen Kleider schimmern
Bald ungewiß aus hellen Zimmern,
Und wirr erstirbt der Büsche Gebraus.
Der Knabe streichelt der Katze Haar,
Verzaubert von ihrer Augen Spiegel.
Ein Orgelklang hebt fern am Hügel
Sich auf zum Himmel wunderbar.
Ein Abend
Am Abend war der Himmel verhangen.
Und durch den Hain voll Schweigen und Trauer
Fuhr ein dunkelgoldener Schauer.
Ferne Abendgeläute verklangen.
Die Erde hat eisiges Wasser getrunken,
Am Waldrand lag ein Brand im Verglimmen,
Der Wind sang leise mit Engelstimmen
Und schaudernd bin ich ins Knie gesunken,
In’s Haidekraut, in bittere Kressen.
Weit draußen schwammen in silbernen Lachen
Wolken, verlassene Liebes wachen.
Die Haide war einsam und unermessen.
Jahreszeit
Rubingeäder kroch ins Laub.
Dann war der Weiher still und weit.
Am Waldsaum lagen bunt verstreut
Bläulich Gefleck und brauner Staub.
Ein Fischer zog sein Netze ein.
Dann kam die Dämmrung übers Feld.
Doch schien ein Hof noch fahl erhellt
Und Mägde brachten Obst und Wein.
Ein Hirtenlied starb ferne nach.
Dann standen Hütten kahl und fremd.
Der Wald im grauen Totenhemd
Rief traurige Erinnerung wach.
Und über Nacht ward leis’ die Zeit
Und wie in schwarzen Löchern flog
Im Wald ein Rabenheer und zog
Nach der Stadt sehr fernem Geläut.
Im Weinland
Die Sonne malt herbstlich Hof und Mauern,
Das Obst, zu Haufen rings geschichtet,
Davor armselige Kinder kauern.
Ein Windstoß alte Linden lichtet.
Durchs Tor ein goldener Schauer regnet
Und müde ruhn auf morschen Bänken
Die Frauen, deren Leib gesegnet.
Betrunkne Glas und Krüge schwenken.
Ein Strolch läßt seine Fidel klingen
Und geil im Tanz sich Kittel blähen.
Hart braune Leiber sich umschlingen.
Aus Fenstern leere Augen sehen.
Gestank steigt aus dem Brunnenspiegel.
Und schwarz, verfallen, abgeschieden
Verdämmern rings die Rebenhügel.
Ein Vogelzug streicht rasch gen Süden.
Das dunkle Tal
In Föhren zerflattert ein Krähenzug
Und grüne Abendnebel steigen
Und wie im Traum ein Klang von Geigen
Und Mägde laufen zum Tanz in Krug.
Man hört Betrunkener Lachen und Schrei,
Ein Schauer geht durch alte Eiben.
An leichenfahlen Fensterscheiben
Huschen die Schatten der Tänzer vorbei.
Es riecht nach Wein und Thymian
Und durch den Wald hallt einsam Rufen.
Das Bettelvolk lauscht auf den Stufen
Und hebt sinnlos zu beten an.
Ein Wild verblutet im Haselgesträuch.
Dumpf schwanken riesige Baumarkaden,
Von eisigen Wolken überladen.
Liebende ruhn umschlungen am Teich.
Sommerdämmerung
Im grünen Äther flimmert jäh ein Stern
Und im Spitale wittern sie den Morgen.
Die Drossel trällert irr im Busch verborgen
Und Klosterglocken gehn traumhaft und fern.
Ein Standbild ragt am Platz, einsam und schlank
Und in den Höfen dämmern rote Blumenpfühle<.>
Die Luft um Holzbalkone bebt von Schwüle
Und Fliegen taumeln leise um Gestank.
Der Silbervorhang dort vor’m Fenster hehlt
Verschlungene Glieder, Lippen, zarte Brüste.
Ein hart’ Gehämmer hallt vom Turmgerüste
Und weiß verfällt der Mond am Himmelszelt.
Ein geisterhafter Traumakkord verschwebt
Und Mönche tauchen aus den Kirchentoren
Und schreiten im Unendlichen verloren.
Ein heller Gipfel sich am Himmel hebt.
Im Mondschein
Ein Heer von Ungeziefer, Mäusen, Ratten
Tollt auf der Diele, die im Mondschein schimmert.
Der Wind schreit wie im Traume auf und wimmert.
Am Fenster zittern kleiner Blätter Schatten.
Bisweilen zwitschern Vögel in den Zweigen
Und Spinnen kriechen an den kahlen Mauern.
Durch leere Gänge bleiche Flecken schauern.
Es wohnt im Haus ein wunderliches Schweigen.
Im Hofe scheinen Lichter hinzugleiten
Auf faulem Holz, verfallenem Gerumpel.
Dann gleißt ein Stern in einem schwarzen Tümpel.
Figuren stehn noch da aus alten Zeiten.
Man sieht Konturen noch von anderen Dingen
Und eine Schrift, verblaßt auf morschen Schildern,
Vielleicht die Farben auch von heiteren Bildern:
Engel, die vor Mariens Throne singen.
Märchen
Raketen sprühn im gelben Sonnenschein;
Im alten Park welch maskenhaft Gewimmel.
Landschaften spiegeln sich am grauen Himmel
Und manchmal hört den Faun man gräßlich schrein.
Sein goldnes Grinsen zeigt sich grell im Hain.
In Kressen tobt der Hummeln Schlachtgetümmel,
Ein Reiter trabt vorbei auf fahlem Schimmel.
Die Pappeln glühn in Ungewissen Reihn.
Die Kleine, die im Weiher heut ertrank,
Ruht eine Heilige im kahlen Zimmer
Und öfter blendet sie ein Wolkenschimmer.
Die Alten gehn im Treibhaus stumpf und krank
Und gießen ihre Blumen, die verdorren.
Am Tore flüstern Stimmen traumverworren.
Ein Frühlingsabend
Komm’ Abend, Freund, der mir die Stirn’ umdüstert,
Auf Pfaden gleitend durch sanftgrüne Saat.
Auch winken Weiden feierlich und stad;
Geliebte Stimme in den Zweigen flüstert.
Der heitere Wind spült Holdes her von wannen,
Narzissenduft, der silbern dich berührt.
Im Haselstrauch die Amsel musiziert —
Ein Hirtenlied gibt Antwort aus den Tannen.
Wie lange ist das kleine Haus entschwunden,
Wo nun ein Birkenwäldchen niederquillt;
Der Weiher trägt ein einsam Sternenbild —
Und Schatten, die sich still ins Goldne runden!
Und also wundertätig ist die Zeit,
Daß man die Engel sucht in Menschenblicken,
Die sich in unschuldsvollem Spiel entzücken.
Ja! Also wundertätig ist die Zeit.
Klagelied
Die Freundin, die mit grünen Blumen gaukelnd
Spielt in mondenen Gärten —
O! was glüht hinter Taxushecken!
Goldener Mund, der meine Lippen rührt,
Und sie erklingen wie die Sterne
Über dem Bache Kidron.
Aber die Sternennebel sinken über der Ebene,
Tänze wild und unsagbar.
O! meine Freundin deine Lippen
Granatapfellippen
Reifen an meinem kristallenen Muschelmund.
Schwer ruht auf uns
Das goldene Schweigen der Ebene.
Zum Himmel dampft das Blut
Der von Herodes
Gemordeten Kinder.
Frühling der Seele
Blumen blau und weiß verstreut
Streben heiter auf im Grund.
Silbern webt die Abendstund’,
Laue Öde, Einsamkeit.
Leben blüht nun voll Gefahr,
Süße Ruh um Kreuz und Grab.
Eine Glocke läutet ab.
Alles scheinet wunderbar.
Weide sanft im Äther schwebt,
Hier und dort ein flackernd Licht.
Frühling flüstert und verspricht
Und der feuchte Efeu bebt.
Saftig grünen Brot und Wein,
Orgel tönt voll Wunderkraft;
Und um Kreuz und Leidenschaft
Glänzt ein geisterhafter Schein.
O! Wie schön sind diese Tag’.
Kinder durch die Dämmerung gehn;
Blauer schon die Winde wehn.
Ferne spottet Drosselschlag.
Westliche Dämmerung
Ein Faungeschrei durch Funken tollt,
In Parken schäumen Lichtkaskaden,
Metallischer Brodem um Stahlarkaden
Der Stadt, die um die Sonne rollt.
Ein Gott jagt schimmernd im Tigergespann
Vorbei an Frauen und hellen Bazaren,
Erfüllt von fließenden Golden und Waren.
Und Sklavenvolk heult dann und wann.
Ein trunknes Schiff dreht am Kanal
Sich trag in grünen Sonnengarben.
Ein heiteres Konzert von Farben
Hebt leise an vorm Hospital.
Ein Quirinal zeigt finstere Pracht.
In Spiegeln bunte Mengen kreisen
Auf Brückenbögen und Geleisen.
Vor Banken bleich ein Dämon wacht.
Ein Träumender sieht schwangere Fraun
In schleimigem Glanz vorübergleiten,
Ein Sterbender hört Glocken läuten —
Ein goldner Hort glüht leis’ im Graun.
Die Kirche
Gemalte Engel hüten die Altäre;
Und Ruh und Schatten; Strahl aus blauen Augen.
In Weihrauchdünsten schwimmen schmutzige Laugen
Gestalten schwanken jammervoll ins Leere.
Im schwarzen Betstuhl gleichet der Madonne
Ein kleines Hürlein mit verblichnen Wangen.
An goldnen Strahlen Wachsfiguren hangen;
Weißbärtigen Gott umkreisen Mond und Sonne.
Ein Schein von weichen Säulen und Gerippen.
Am Chor der Knaben süße Stimmen starben.
Sehr leise regen sich versunkene Farben,
Ein strömend Rot von Magdalenens Lippen.
Ein schwangeres Weib geht irr in schweren Träumen
Durch diese Dämmerung voll Masken, Fahnen.
Ihr Schatten kreuzt der Heiligen stille Bahnen,
Der Engel Ruh in kalkgetünchten Räumen.
An Angela
1. Fassung
1
Ein einsam Schicksal in verlaßnen Zimmern
Ein sanfter Wahnsinn tastet an Tapeten.
An Fenstern fließen Pelagonienbeeten,
Narzissen auch und keuscher im Verkümmern
Als Alabaster, die im Garten schimmern.
In blauen Schleiern lächeln Indiens Morgen.
Ihr süßer Weihrauch scheucht des Fremdlings Sorgen,
Schlaflose Nacht am Weiher um Angelen.
In leerer Maske ruht sein Schmerz verborgen,
Gedanken, die sich schwarz ins Dunkel stehlen.
Die Drosseln lachen rings aus sanften Kehlen.
2
Die Früchte, die sich rot in Zweigen runden, —
Angelens Lippen, die ihr Süßes zeigen,
Wie Nymphen, die sich über Quellen neigen
In ruhevollem Anblick lange Stunden,
Des Nachmittags grüngoldne, lange Stunden.
Doch manchmal kehrt der Geist zu Kampf und Spiele<.>
In goldnen Wolken wogt ein Schlachtgewühle
Und Hyazinthnes treibt aus wirren Kressen.
Ein Dämon sinnt Gewitter in der Schwüle,
Im Grabesschatten trauriger Zypressen.
Da fällt der erste Blitz aus schwarzen Essen.
3
Der Juniweiden abendlich Geflüster;
Lang klingt ein Regen nach in Flötenklängen.
Wie regungslos im Grau die Vögel hängen!
Und hier Angelens Ruh im Zweiggedüster;
Es ist der Dichter dieser Schönheit Priester.
Von dunkler Kühle ist sein Mund umflossen.
Im Tal ruhn weiche Nebel hingegossen.
Am Saum des Waldes und der Schwermut
Schatten Schwebt Goldenes von seinem Mund geflossen
Am Saum des Waldes und der Schwermut Schatten.
Die Nacht umfängt sein trunkenes Ermatten.
2. Fassung
1
Ein einsam Schicksal in verlaßnen Zimmern.
Ein sanfter Wahnsinn tastet an Tapeten,
An Fenstern, rötlichen Geranienbeeten,
Narzissen auch und keuscher im Verkümmern
Als Alabaster, die im Garten schimmern.
In blauen Schleiern lächeln Indiens Morgen.
Ihr süßer Weihrauch scheucht des Fremdlings Sorgen,
Schlaflose Nacht am Weiher um Angelen.
In leerer Maske ruht sein Schmerz verborgen,
Gedanken, die sich schwarz ins Dunkel stehlen.
Die Drosseln lachen rings aus sanften Kehlen.
2
Den spitzes Gras umsäumt, am Kreuzweg hocken
Die Mäher müde und von Mohne trunken,
Der Himmel ist sehr schwer auf sie gesunken,
Die Milch und Öde langer Mittagsglocken.
Und manchmal flattern Krähen auf im Roggen.
Von Frucht und Greueln wächst die heiße Erde
In goldnem Glanz, o kindliche Geberde
Der Wollust und ihr hyazinthnes Schweigen,
So Brot und Wein, genährt am Fleisch der Erde,
Sebastian im Traum ihr Geistiges zeigen.
Angelens Geist ist weichen Wolken eigen.
3
Die Früchte, die sich rot in Zweigen runden,
Des Engels Lippen, die ihr Süßes zeigen,
Wie Nymphen, die sich über Quellen neigen
In ruhevollem Anblick lange Stunden,
Des Nachmittags grüngoldne, lange Stunden.
Doch manchmal kehrt der Geist zu Kampf und Spiele.
In goldnen Wolken wogt ein Schlachtgewühle
Von Fliegen über Fäulnis und Abszessen.
Ein Dämon sinnt Gewitter in der Schwüle,
Im Grabesschatten trauriger Zypressen.
Da fällt der erste Blitz aus schwarzen Essen.
4
Des Weidenwäldchens silbernes Geflüster;
Lang klingt ein Regen nach in Flötenklängen.
Im Abend regungslose Vögel hängen!
Ein blaues Wasser schläft im Zweiggedüster.
Es ist der Dichter dieser Schönheit Priester.
Schmerzvolles Sinnen in der dunklen Kühle.
Von Mohn und Weihrauch duften milde Pfühle
Am Saum des Waldes und der Schwermut Schatten
Angelens Freude und der Sterne Spiele
Die Nacht umfängt der Liebenden Ermatten.
Der Saum des Waldes und der Schwermut Schatten.
In Milch und Öde
<.............................................
..............................................>
In Milch und Öde; — dunkle Plage
Saturn lenkt finster deine Stund.
Im Schatten schwarzer Thujen irrt
Eva entstellt von Blut und Wunden,
Der süße Leib zerfetzt von Hunden —
O Mund, der herzzerreißend girrt.
Der Arme starr erhobnes Flehn
Ragt wild ins weiße Zelt der Sterne.
Im Ahorn dampft die Mondlaterne,
Am Weiher glühn die Azaleen.
O still! Die blinde Drossel singt
Im Käfig ihre trunkne Weise
Dem goldnen Helios zum Preise —
Ein Kerzenflämmchen zuckt und klingt.
O Lied voll Schmerz und Ewigkeit!
Gestirn und Schatten grau erbleichen
Und sind bald nur verlerne Zeichen.
Ein Hahn kräht um die Dämmerzeit.
Träumerei am Abend
Wo einer abends geht, ist nicht des Engels Schatten
Und Schönes! Es wechseln Gram und sanfteres Vergessen;
Des Fremdlings Hände tasten Kühles und Zypressen
Und seine Seele faßt ein staunendes Ermatten.
Der Markt ist leer von roten Früchten und Gewinden.
Einträchtig stimmt der Kirche schwärzliches Gepränge,
In einem Garten tönen sanften Spieles Klänge,
Wo Müde nach dem Mahle sich zusammenfinden.
Ein Wagen rauscht, ein Quell sehr fern durch grüne Pfühle.
Da zeigt sich eine Kindheit traumhaft und verflossen,
Angelens Sterne, fromm zum mystischen Bild geschlossen,
Und ruhig rundet sich die abendliche Kühle.
Dem einsam Sinnenden löst weißer Mohn die Glieder,
Daß er Gerechtes schaut und Gottes tiefe Freude.
Vom Garten irrt sein Schatten her in weißer Seide
Und neigt sich über trauervolle Wasser nieder.
Gezweige stießen flüsternd ins verlaßne Zimmer
Und Liebendes und kleiner Abendblumen Beben.
Der Menschen Stätte gürten Korn und goldne Reben,
Den Toten aber sinnet nach ein mondner Schimmer.
Wintergang in a-Moll
Oft tauchen rote Kugeln aus Geästen,
Die langer Schneefall sanft und schwarz verschneit.
Der Priester gibt dem Toten das Geleit.
Die Nächte sind erfüllt von Maskenfesten.
Dann streichen übers Dorf zerzauste Krähen;
In Büchern stehen Märchen wunderbar.
Ans Fenster flattert eines Greisen Haar.
Dämonen durch die kranke Seele gehen.
Der Brunnen friert im Hof. Im Dunkel stürzen
Verfallne Stiegen und es weht ein Wind
Durch alte Schächte, die verschüttet sind.
Der Gaumen schmeckt des Frostes starke Würzen.
Immer dunkler
Der Wind, der purpurne Wipfel bewegt,
Ist Gottes Odem, der kommt und geht.
Das schwarze Dorf vorm Wald aufsteht;
Drei Schatten sind über den Acker gelegt.
Kärglich dämmert unten und still
Den Bescheidenen das Tal.
Grüßt ein Ernstes in Garten und Saal,
Das den Tag beenden will,
Fromm und dunkel ein Orgelklang.
Marie thront dort im blauen Gewand
Und wiegt ihr Kindlein in der Hand.
Die Nacht ist sternenklar und lang.
Unterwegs
1. Fassung
Ein Duft von Myrrhen, der im Zwielicht irrt.
Im Qualm versinken Plätze rot und wüst.
Bazare kreisen und ein Goldstrahl fließt
In alte Läden seltsam und verwirrt.
Im Spülicht glüht Verfallnes; und der Wind
Ruft dumpf die Qual verbrannter Gärten wach.
Beseßne jagen goldnen Träumen nach.
An Fenstern ruhn Dryaden schlank und lind.
Traumsüchtige wandeln, die ein Wunsch verzehrt.
Arbeiter strömen schimmernd durch ein Tor.
Stahltürme glühn am Himmelsrand empor.
O Märchen in Fabriken grau versperrt!
Im Finstern trippelt puppenhaft ein Greis
Und lüstern lacht ein Klimperklang von Geld.
Ein Heiligenschein auf jene Kleine fällt,
Die vorm Kaffeehaus wartet, sanft und weiß.
O goldner Glanz, den sie in Scheiben weckt!
Durchsonnter Lärm dröhnt ferne und verzückt.
Ein krummer Schreiber lächelt wie verrückt
Zum Horizont, den grün ein Aufruhr schreckt.
Auf Brücken von Kristall Karrossen ziehn,
Obstkarren, Leichenwagen schwarz und fahl,
Von hellen Dampfern wimmelt der Kanal,
Konzerte klingen. Grüne Kuppeln sprühn.
Volksbäder flimmern in Magie von Licht,
Verwunschne Straßen, die man niederreißt.
Ein Herd von Seuchen wirr im Äther kreist,
Ein Schein von Wäldern durch Rubinstaub bricht.
Verzaubert glänzt im Grau ein Opernhaus.
Aus Gassen fluten Masken ungeahnt,
Und irgendwo loht wütend noch ein Brand.
Ein kleiner Falter tanzt im Windgebraus.
Quartiere dräun voll Elend und Gestank.
Violenfarben und Akkorde ziehn
Vor Hungrigen an Kellerlöchern hin.
Ein süßes Kind sitzt tot auf einer Bank.
2. Fassung
Ein Duft von Myrrhen, der durchs Zwielicht irrt,
Ein Fastnachtsspiel, auf Plätzen schwarz und wüst.
Gewölk durchbricht ein goldner Strahl und fließt
In kleine Läden traumhaft und verwirrt.
Im Spülicht glüht Verfallnes und der Wind
Ruft dumpf die Qual verbrannter Gärten wach.
Beseßne jagen dunklen Dingen nach;
An Fenstern ruhn Dryaden schlank und lind.
Ein Knabenlächeln, das ein Wunsch verzehrt.
Verschlossen starrt ein altes Kirchentor.
Sonaten lauscht ein wohlgeneigtes Ohr;
Ein Reiter trabt vorbei auf weißem Pferd.
Im Finstern trippelt puppenhaft ein Greis
Und lüstern lacht ein Klimperklang von Geld.
Ein Heiligenschein auf jene Kleine fällt,
Die vorm Kaffeehaus wartet, sanft und weiß.
O goldner Glanz, den sie in Scheiben weckt!
Der Sonne Lärm dröhnt ferne und verzückt.
Ein krummer Schreiber lächelt wie verrückt
Zum Horizont, den grün ein Aufruhr schreckt.
Karrossen abends durch Gewitter ziehn.
Durchs Dunkel stürzt ein Leichnam, leer und fahl.
Ein heller Dampfer landet am Kanal,
Ein Mohrenmädchen ruft im wilden Grün.
Schlafwandler treten vor ein Kerzenlicht,
In eine Spinne fährt des Bösen Geist.
Ein Herd von Seuchen Trinkende umkreist;
Ein Eichenwald in kahle Stuben bricht.
Im Plan erscheint ein altes Opernhaus,
Aus Gassen fluten Masken ungeahnt
Und irgendwo loht wütend noch ein Brand.
Die Fledermäuse Schrein im Windgebraus.
Quartiere dräun voll Elend und Gestank.
Violenfarben und Akkorde ziehn
Vor Hungrigen an Kellerlöchern hin.
Ein süßes Kind sitzt tot auf einer Bank.
Dezember (Dezembersonett)
DEZEMBERSONETT
1. Fassung
Am Abend ziehen Gaukler durch den Wald
Auf wunderlichen Wägen, kleinen Rossen.
In Wolken scheint ein goldner Hort verschlossen.
Im weißen Plan sind Dörfer eingemalt.
Der Wind schwingt Schild und Knüppel schwarz und kalt,
Ein Rabe folgt den mürrischen Genossen.
Vom Himmel fällt ein Strahl auf blutige Gossen
Und sacht ein Leichenzug zum Friedhof wallt.
Des Schäfers Hütte schwindet nah im Grau,
Im Weiher gleißt ein Glanz von alten Schätzen;
Die Bauern sich im Krug zum Weine setzen.
Ein Knabe gleitet scheu zu einer Frau.
Man sieht noch in der Sakristei den Küster
Und rötliches Geräte, schön und düster.
DEZEMBERSONETT
2. Fassung
Am Abend ziehen Gaukler durch den Wald,
Auf wunderlichen Wägen, kleinen Rossen.
In Wolken scheint ein goldner Hort verschlossen,
Im dunklen Plan sind Dörfer eingemalt.
Der rote Wind bläht Linnen schwarz und kalt.
Ein Hund verfault, ein Strauch raucht blutbegossen.
Von gelben Schrecken ist das Rohr durchflossen
Und sacht ein Leichenzug zum Friedhof wallt.
Des Greisen Hütte schwindet nah im Grau.
Im Weiher gleißt ein Schein von alten Schätzen.
Die Bauern sich im Krug zum Weine setzen.
Ein Knabe gleitet scheu zu einer Frau.
Ein Mönch verblaßt im Dunkel sanft und düster.
Ein kahler Baum ist eines Schläfers Küster.