Gedichte
Das Morgenlied
Nun schreite herab, titanischer Bursche,
Und wecke die vielgeliebte Schlummernde dir!
Schreite herab, und umgürte
Mit zartlichten Blüten das träumende Haupt.
Entzünde den bangenden Himmel mit
lodernder Fackel,
Daß die erblassenden Sterne tanzend ertönen
Und die fliegenden Schleier der Nacht
Aufflammend vergehen,
Daß die zyklopischen Wolken zerstieben,
In denen der Winter, der Erde entfliehend,
Noch heulend droht mit eisigen Schauern,
Und die himmlischen Fernen sich auftun in leuchtender Reinheit.
Und steigst dann, Herrlicher du, mit fliegenden Locken
Zur Erde herab, empfängt sie mit seligem Schweigen
Den brünstigen Freier, und in tiefen Schauern erbebend
Von deiner so wilden, sturmrasenden Umarmung,
Öffnet sie dir ihren heiligen Schoß.
Und es erfaßt die Trunkene süßeste Ahnung,
Wenn Blütenglühender du das keimende Leben
Ihr weckest, des hohe Vergangenheit
Höherer Zukunft sich zudrängt,
Das dir gleich ist, wie du dir selber gleichst,
Und deinem Willen ergeben, stets Bewegter,
Daß an ihr ein ewig Rätselvolles
In hoher Schönheit sich wieder künftig erneuert.
Traumwandler
Wo bist du, die mir zur Seite ging,
Wo bist du, Himmelsangesicht?
Ein rauher Wind höhnt mir ins Ohr: du Narr!
Ein Traum! Ein Traum! Du Tor!
Und doch, und doch! Wie war es einst,
Bevor ich in Nacht und Verlassenheit schritt?
Weißt du es noch, du Narr, du Tor!
Meiner Seele Echo, der rauhe Wind:
O Narr! O Tor!
Stand sie mit bittenden Händen nicht,
Ein trauriges Lächeln um den Mund,
Und rief in Nacht und Verlassenheit!
Was rief sie nur! Weißt du es nicht?
Wie Liebe klang’s. Kein Echo trug
Zu ihr zurück, zu ihr dies Wort.
War’s Liebe? Weh, daß ich’s vergaß!
Nur Nacht um mich und Verlassenheit,
Und meiner Seele Echo — der Wind!
Der höhnt und höhnt: O Narr! O Tor!
Die drei Teiche von Hellbrunn
DER ERSTE
Um die Blumen taumelt das Fliegengeschmeiß
Um die bleichen Blumen auf dumpfer Flut,
Geh fort! Geh fort! Es brennt die Luft!
In der Tiefe glüht der Verwesung Glut!
Die Weide weint, das Schweigen starrt,
Auf den Wassern braut ein schwüler Dunst.
Geh fort! Geh fort! Dies ist der Ort
Für schwarzer Kröten ekle Brunst.
DER ZWEITE
Bilder von Wolken, Blumen und Menschen —
Singe, singe, freudige Welt!
Lächelnde Unschuld spiegelt dich wider —
Himmlisch wird alles, was ihr gefällt:
Dunkles wandelt sie freundlich in Helle,
Fernes wird nah. O Freudiger du!
Sonne, Wolken, Blumen und Menschen
Atmen selige Gottesruh.
DER DRITTE
Die Wasser schimmern grünlich-blau
Und ruhig atmen die Zypressen,
Es tönt der Abend glockentief —
Da wächst die Tiefe unermessen.
Der Mond steigt auf, es blaut die Nacht,
Erblüht im Widerschein der Fluten —
Ein rätselvolles Sphinxgesicht,
Daran mein Herz sich will verbluten.
Hinwandelnd an den schwarzen Mauern
Des Abends, silbern tönt die Leier
Des Orpheus fort im dunklen Weiher
Der Frühling aber tropft in Schauern
Des Nachtwinds silbern tönt die Leier
Des Orpheus fort im dunklen Weiher
Hinsterbend an ergrünten Mauern.
Ferne leuchten Schloß und Hügel.
Stimmen von Frauen, die längst verstarben
Weben zärtlich und dunkelfarben
Über dem weißen nymphischen Spiegel.
Klagen ihr vergänglich Geschicke
Und der Tag zerfließt im Grünen
Flüstern im Rohr und schweben zurücke —
Eine Drossel scherzt mit ihnen.
Die Wasser schimmern grünlichblau
Und ruhig atmen die Zypressen
Und ihre Schwermut unermessen
Fließt über in das Abendblau.
Tritonen tauchen aus der Flut,
Verfall durchrieselt das Gemäuer
Der Mond hüllt sich in grüne Schleier
Und wandelt langsam auf der Flut.
St.-Peters-Friedhof
Ringsum ist Felseneinsamkeit.
Des Todes bleiche Blumen schauern
Auf Gräbern, die im Dunkel trauern —
Doch diese Trauer hat kein Leid.
Der Himmel lächelt still herab
In diesen traumverschlossenen Garten,
Wo stille Pilger seiner warten.
Es wacht das Kreuz auf jedem Grab.
Die Kirche ragt wie ein Gebet
Vor einem Bilde ewiger Gnaden,
Manch Licht brennt unter den Arkaden,
Das stumm für arme Seelen fleht —
Indes die Baume blüh’n zur Nacht,
Daß sich des Todes Antlitz hülle
In ihrer Schönheit schimmernde Fülle,
Die Tote tiefer träumen macht.
Ein Frühlingsabend
Ein Strauch voll Larven; Abendföhn im März;
Ein toller Hund läuft durch ein ödes Feld
Durchs braune Dorf des Priesters Glocke schellt;
Ein kahler Baum krümmt sich in schwarzem Schmerz.
Im Schatten alter Dächer blutet Mais;
O Süße, die der Spatzen Hunger stillt.
Durch das vergilbte Rohr bricht scheu ein Wild.
O Einsamstehn vor Wassern still und weiß.
Unsäglich ragt des Nußbaums Traumgestalt.
Den Freund erfreut der Knaben bäurisch Spiel.
Verfallene Hütten, abgelebt’ Gefühl;
Die Wolken wandern tief und schwarz geballt.
In einem alten Garten
Resedaduft entschwebt im braunen Grün,
Geflimmer schauert auf den schönen Weiher,
Die Weiden stehn gehüllt in weiße Schleier
Darinnen Falter irre Kreise ziehn.
Verlassen sonnt sich die Terrasse dort,
Goldfische glitzern tief im Wasserspiegel,
Bisweilen schwimmen Wolken übern Hügel,
Und langsam gehn die Fremden wieder fort.
Die Lauben scheinen hell, da junge Frau’n
Am frühen Morgen hier vorbeigegangen,
Ihr Lachen blieb an kleinen Blättern hangen,
In goldenen Dünsten tanzt ein trunkener Faun.
Abendlicher Reigen
2. Fassung
Asternfelder braun und blau,
Kinder spielen dort an Grüften,
In den abendlichen Lüften,
Hingehaucht in klaren Lüften
Hängen Möven silbergrau.
Hörnerschall hallt in der Au.
In der alten Schenke schrein
Toller auf verstimmte Geigen,
An den Fenstern rauscht ein Reigen,
Rauscht ein bunter Ringelreigen,
Rasend und berauscht von Wein.
Fröstelnd kommt die Nacht herein.
Lachen flattert auf, verweht,
Spöttisch klimpert eine Laute,
Leise eine stille Raute,
Eine schwermutvolle Raute
An der Schwelle niedergeht.
Klingklang! Eine Sichel mäht.
Traumhaft webt der Kerzen Schein,
Malt dies junge Fleisch verfallen,
Klingklang! Hörs im Nebel hallen,
Nach dem Takt der Geigen hallen,
Und vorbei tanzt nackt Gebein.
Lange schaut der Mond herein.
Nachtseele
3. Fassung
Schweigsam stieg vom schwarzen Wald ein blaues Wild
Die Seele nieder,
Da es Nacht war, über moosige Stufen ein schneeiger Quell.
Blut und Waffengetümmel vergangner Zeiten
Rauscht im Föhrengrund.
Der Mond scheint leise in verfallene Zimmer,
Trunken von dunklen Giften, silberne Larve
Über den Schlummer der Hirten geneigt;
Haupt, das schweigend seine Sagen verlassen.
O, dann öffnet jener die langsamen Hände
Verwesend in purpurnem Schlaf
Und silbern erblühen die Blumen des Winters
Am Waldsaum, erstrahlen die finstern Wege
In die steinerne Stadt;
Öfter ruft aus schwarzer Schwermut das Käuzchen den Trunknen.